Frau Dr. phil. Amélie Schenk ist als Ethnologin profunde Kennerin verschiedener Naturvölker. Sie beschäftigte sich mit den Indianern Nordamerikas ebenso wie der Bevölkerung in Indien und im tibetischen Himalaja. Am 14. März 2023 berichtete sie im Hotel Goldener Knopf vor vielen interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern über ihren langen Aufenthalt in der Mongolei, wo sie neben ihrer Forschungsarbeit Entwicklungsprojekte betreute und das Leben der Hirtennomaden teilte. Die heimlichen Königinnen der Mongolei sind heute noch die Nomadenfrauen, deren handgefertigte Produkte Frau Dr. Schenk ebenfalls vorstellte. Angefangen von Dschingis Khan im 13. Jahrhundert bis in die heutige Zeit spannte die Referentin einen weiten Bogen. Schon immer hatten Frauen in der Mongolei eine große Bedeutung bei der Organisation von Infrastruktur, während die Männer ausgestattet mit dem Nötigsten in Kriege zogen. So waren es Frauen, die wichtige Aufgaben bei der Errichtung und Erhaltung der Seidenstraße im alten Mongolenreich übernahmen. Aber auch in den Nomadenstrukturen der mongolischen Hirten hielten die Frauen die Fäden in der Hand und organisierten das Gemeinleben.
Das Land
Die Mongolei ist 4 ½ mal so groß wie Deutschland aber mit nur 3 Millionen Menschen einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Erde. Hauptstadt ist Ulaanbaatar.
Es gibt große Temperaturschwankungen: von bis zu minus 50 Grad im Winter bis plus 40 Grad im Sommer.
Dschingis Khan (Khan=Herrscher, König) gründete 1206 das Mongolische Reich, indem er die verschiedenen Volksstämme einte. Es entstand ein riesiges Reich, welches sich von Asien bis nach Europa erstreckte. Dschingis Khan starb 1227, sein Grab wurde nie gefunden. Sein Enkel Kublai Khan eroberte China.
Die Landbevölkerung lebt in Jurten mit Vieh (Schafe, Ziegen, Pferde) auf den Weiden.
Kultur und Weltanschauung
Die Khans hatten immer Schamanen (Wahrsager, Seher) um sich, es gab auch Schamaninnen. Auch heute noch holen sich Politiker Rat bei den Schamanen.
Zur Weltanschauung: Die Mehrheit der Einwohner sind Buddhisten. Daneben gibt es aber auch eine starke Himmel - Erde Verehrung: der Himmel steht für das Väterliche, die Erde für das Mütterliche.
Bei den mongolischen Nomaden werden beispielsweise Quellen, Bäume und Flüsse verehrt.
Es heißt: die Erde erdet dich, sie sanktioniert – der Himmel inspiriert dich, er erhebt dich.
Edikte werden heute noch herausgegeben unter der Überschrift: „In der Gnade des großen blauen Himmels"
Die Berge symbolisieren das männliche Element, die Flüsse das weibliche Element.
Die Geschichte wird von Generation zu Generation weitergegeben in Form von Epen, Erzählungen, Gesängen und Zeichnungen. Aus dem 13. Jahrhundert gibt es aber auch ein chinesisches Manuskript: Die Geheime Geschichte der Mongolei, welches aus dem Leben Dschingis Khans berichtet).
Die „heimlichen" Herrscherinnen
Ein mongolisches Sprichwort heißt: Die Männer regieren die Welt, die Frauen regieren die Männer.
Die Stellung der Frau und insbesondere der Mutter ist sehr stark in der Mongolei.
Das riesige Reich erstreckte sich zeitweise vom Pazifik bis an das Schwarze Meer. Die Männer zogen in den Krieg, die Frauen blieben zu Haus und kümmerten sich um die Kinder und das Vieh. Sie verwalteten den Besitz und das Geld, trieben Handel und führten die Umzüge an. Die Ehen wurden arrangiert, die Frauen wurden aber nicht gehandelt.
Der Dienst steht höher als Besitz: In einem Nomadenvolk kommt es traditionell auf den sozialen Zusammenhalt an, auf die Zusammenarbeit und die gegenseitige Wertschätzung.
Dschingis Khan schickte Frauen (auch eine seiner Töchter, die sich zunächst überfordert sah, was der Khan durch sein Vertrauen entkräftete: „die Weisheit kommt aus dir selbst") in die entfernten Territorien des Reiches rund um die Seidenstraße, um diese Territorien von den Frauen verwalten und befrieden zu lassen.
Manduchei ist eine Nachkommin von Dschingis Khan. Sie lebte im 15. Jahrhundert und versuchte nochmals, das Reich zu einen. Sie ist eine der bekanntesten Frauen der Mongolei. Im Jahre 1982 erschien in der Mongolei ein Roman über sie (Titel in der deutschen Übersetzung: „Manduchei, die Kluge". Anm. d.U.: in Deutschland gibt es einen historischen Roman von Tanja Kinkel: „Manduchei, die letzte Kriegerkönigin").
Ab 1919 unter der sozialistischen Führung mussten die Frauen in den Genossenschaften arbeiten, weil man ihre Arbeitskraft brauchte. Trotzdem bekamen sie auch weiterhin viele Kinder und organisierten die Doppelaufgabe von Beruf und Familie. Nach einer Weltbankstudie von 1992 ist die Alphabetisierungsquote in der Mongolei sehr hoch. Die Frauen sind gut ausgebildet.
Ehrenamtliche Hilfe
Frau Dr. Schenk betreibt mit dem Verein Freunde des Altai e.V. (www.freunde-des-altai.org) ein Filzprojekt. Als sie im Jahre 2001 mit dem Projekt begann, gab es hauptsächlich Filz-Manufakturen, das Handwerk drohte auszusterben. Der Verein möchte die Jahrhunderte alte Tradition des Filzens am Leben erhalten.
Ziel der Herstellung der Filzstücke in der Mongolei sind 3 Märkte: lokal für den Eigenbedarf, für die Hauptstadt und für den Export. An den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an.
Präsidentin Rita Rauter dankte der Referentin und übergab ihr für die Vereinsarbeit eine Geldspende.
Im Anschluss an den Vortrag bestand die Gelegenheit, einige wunderschöne Filzarbeiten zu erwerben; der Erlös kommt ebenfalls der Vereinskasse zugute..
Frau Dr Schenk ist Autorin verschiedener Bücher über die Mongolei, u.a.:
- Im Land der zornigen Winde (2015)
- Gesang des Himmels: Galbe, Schamanin des Altai (2006)
- Herr des schwarzen Himmels: Zeren Baawai - Schamane der Mongolei (2000)
Das Lernen von anderen Kulturen, aber mehr noch die tatkräftige Unterstützung der kleinen Naturvölker ist ihr ein wichtiges Anliegen.